Speicher Raggal
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Energieader im Walsertal - der Speicher Raggal

25.06.2021

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Beinahe verborgen im Großen Walsertal liegt der Speicher Raggal. Hier wird das Wasser der Lutz und des Marulbaches gefasst und seit Jahrzehnten zur Gewinnung sauberer Ökoenergie genutzt. Dieser Beitrag beleuchtet die energiewirtschaftlichen Hintergründe und zeigt, von der Stromerzeugung bis zur Sedimentbewirtschaftung, was alles nötig ist, um tausende Haushalte in Vorarlberg mit Strom aus Wasserkraft zu versorgen.

Ganz egal, ob man den Eintritt ins Große Walsertal via Faschinastraße oder über Raggal wählt – auf dem Weg nach Sonntag vermutet kaum jemand eine pulsierende Energieader, wie sie in dem teils beengten V-Tal zu finden ist. Versteckt am Talgrund, zwischen Blons und Raggal, wird die Lutz seit Jahrzehnten mit einer Talsperre gefasst und zur Energiegewinnung eingesetzt. Unterstützt vom Marulbach verbreitert sich die Lutz allmählich und trifft schließlich auf eine 48 Meter hohe und 105 Meter breite Gewichtsmauer. Bis zu dieser Stelle haben die beiden Gewässer ein Wasser-Einzugsgebiet von über 160 Quadratkilometern zusammengefasst.

Strom für 22.000 Haushalte

An der gewaltigen Mauer, für die eine Betonkubatur von rund 45.000 Kubikmetern entstanden ist, wird das Wasser kurz aufgehalten. Dadurch entsteht ein Stauaum von rund 2,3 Kilometer Länge mit Platz für 2,4 Millionen Kubikmeter Wasser.

In einem Regeljahr darf der Speicher Raggal rund 290 Millionen Kubikmeter Wasser begrüßen, ehe sich das kühle Nass entweder in das natürliche Flussbecken verabschiedet, oder über einen kurzen Abstecher durch das Kraftwerk Lutz Oberstufe umweltfreundlichen Strom aus Wasserkraft generiert. Dazu strömt es über einen 4,5 Kilometer langen Druckstollen zum Wasserschloss und von dort in einem Vertikalschacht in die Maschinenkaverne. Rund 100 Meter im Berginneren trifft es auf eine vertikale Francis-Turbine und erzeugt auf diese Weise Strom für rund 22.000 Haushalte

Kraftwerk Lutz Oberstufe

Kraftwerksgruppe zur Energiegewinnung

Weitere 8.000 Haushalte kommen dazu, wenn das Wasser über die Sperre Gstins auch noch das zweite Kraftwerk der Lutz-Gruppe durchströmt. Vom Staubecken Gstins führt dazu eine weitere, rund 4,6 Kilometer lange Druckrohrleitung in das noch früher, Anno 1957 erbaute KW Lutz Unterstufe. Zwei vertikalachsige Maschinengruppen, bestehend aus Francisturbine und Generator, sorgen für 8,6 Megawatt Leistung. Nach getaner Arbeit mündet das Wasser – mittlerweile in Ludesch im Walgau angekommen – bei der A 14 schließlich in die Ill. Durch natürliche Sedimentation lagern sich aus dem Wildbach Lutz pro Jahr rund 50.000 Kubikmeter Material im Speicher Raggal ab. Durch solche Verlandungen können wichtige Einläufe der Wasserentnahmestellen mit der Zeit verlegt werden. Die Funktion der Kraftwerke würde beeinträchtigt.

Gezielte Feststoffbewirtschaftung

Um das zu verhindern, setzen die Experten auf eine begleitende Feststoffbewirtschaftung. Dazu gehören zahlreiche Maßnahmen, wie beispielsweise der Einsatz eines Schwimmbaggers, der jährlich zur Schneeschmelze rund sechs Wochen lang im Einsatz ist. Dieser entnimmt die Ablagerungen im vorderen Stauseebereich und gibt sie kontrolliert dem Fluss zurück. So wird der natürliche Feststoffhaushalt des Gewässers beibehalten. Der problemlose Einsatz des Kraftwerks und dessen Einrichtungen ist sichergestellt.

Schwimmbagger

Speicherabsenkung im Juni

Um das zu verhindern, setzen die Experten auf eine begleitende Feststoffbewirtschaftung. Dazu gehören zahlreiche Maßnahmen, wie beispielsweise der Einsatz eines Schwimmbaggers, der jährlich zur Schneeschmelze rund sechs Wochen lang im Einsatz ist. Dieser entnimmt die Ablagerungen im vorderen Stauseebereich und gibt sie kontrolliert dem Fluss zurück. So wird der natürliche Feststoffhaushalt des Gewässers beibehalten. Der problemlose Einsatz des Kraftwerks und dessen Einrichtungen ist sichergestellt.

Baggerschaufel

Einigkeit bei Energie- und Umweltpolitik

Vorarlberg ist im Bereich Energiewirtschaft als Bundesland ein Vorzeigebeispiel dafür, wie unterschiedliche Interessen und Anforderungen im Konsens unter einen Hut gebracht werden können. So zeigen auch aktuellste Initiativen des Landtags zum Ausbau der Wasserkraft eines ganz deutlich: alle politischen Farben und Fraktionen demonstrieren in Sachen Energie- und Umweltpolitik ihre Einigkeit. Die Kraft des Wassers muss und darf in einem sinnvollen Ausmaß genutzt werden, damit auch zukünftige Generationen von der Energiewende profitieren können. Ein besonderes Beispiel sind die beiden Kraftwerke am Unterlauf der Lutz – Lutz Oberstufe und Lutz Unterstufe, die das Wasser des Wildbaches zur Energiegewinnung nutzen. Das Kraftwerk Lutz Oberstufe wurde 1967 das erste Mal in Betrieb genommen und versorgt seit dieser Zeit tausende Haushalte mit sauberem Strom aus Wasserkraft.

Speicherbewirtschaftung mit vielen Aufgaben

Für den reibungslosen Betrieb einer solchen Kraftwerksanlage müssen alle funktionsrelevanten Teile regelmäßig gewartet und auf ihre sichere Funktion überprüft werden. Der Speicher Raggal muss zu diesem Zweck einmal in 10 Jahren abgesenkt werden – so die Vorgabe der Behörden. Der malerisch eingebettete Stausee ist seit 1967 einerseits idyllisches Naherholungsgebiet und andererseits wertvoller Energiespeicher. Auch für den Hochwasserschutz übernimmt die Speicherbewirtschaftung eine wertvolle Funktion.

Zu Zeiten der Schneeschmelzphase und bei Starkregenfällen transportiert die Lutz vermehrt Sedimente, die sich im Laufe der Zeit im Speicher ablagern. Aus diesem Grund besteht bereits seit Mitte der Achtziger eine Baggeranlage, mit deren Hilfe jedes Frühjahr die Ablagerungen, die funktionsrelevante Abflüsse verlegen können, wieder abgetragen werden.

Moderne Schwimmbaggeranlage

Der alte Schwimmbagger, der über Jahrzehnte erfolgreich im Einsatz war, wurde 2018 durch ein modernes und leistungsfähigeres System ersetzt. Dieses wurde eigens für den Einsatz im Speicher Raggal konstruiert und ist mit vielen speziellen Ausrüstungen am letzten Stand der Technik versehen – nicht zuletzt erinnert das Cockpit mehr an den Arbeitsplatz eines Hubschrauberpiloten. Die moderne Maschine wird von speziell geschulten Mitarbeitern gesteuert. Die rein elektrische Antriebsweise des Baggers sorgt dabei für niedrigste Lärmemissionen. Um eine für Umwelt- und Energieversorgung nachhaltige Maßnahme umzusetzen, musste die gesamthafte Sedimentdurchgängigkeit hergestellt werden. Daher lag die größte Herausforderung im richtigen Anlagendesign, denn: jedes zu Tage geförderte Material, das die Lutz mit sich bringt, muss auch verarbeitet werden können. Die neue Baggeranlage ermöglichte es im Jahr 2019 erstmals, den Staumauergrundablasseinlauf zielgenau und nahezu vollständig von Sedimenten und grobem Geschiebe zu räumen.

Maßnahmen zum Schutz der Natur

Sechs Wochen dauert der Baggereinsatz im Frühjahr. Angesetzt ist er terminlich mit dem Einsetzen der Schneeschmelze, wenn die Zuflüsse bereits erhöht sind und besonders viele Sedimente transportieren. Nach Abschluss der Arbeiten für 2021 sind die Vorbereitungen für eine zehnjährige Speicherentleerung, wie sie von Seiten der Behörden vorgesehen sind, beinahe abgeschlossen. Die Absenkung selbst findet voraussichtlich im Juni statt und ist für die Verantwortlichen der illwerke vkw ein umfangreiches Projekt, bei dem zahlreiche Maßnahmen unternommen werden, um die Auswirkungen auf die Natur auf ein Minimum zu reduzieren.

Intensive Planungsphase

„Wir beginnen mit unseren Planungen jeweils rund ein Jahr vor dem vorgesehenen Absenktermin“, berichtet Stefan Pfeifer, Projektleiter der illwerke vkw. „Damit am Tag X alles klappt, müssen viele Stellen koordiniert werden. Eine solche Absenkung folgt einem detaillierten Plan, der wiederum im Vorfeld mit den Behörden abgestimmt und von diesen genehmigt werden muss“, so der Fachmann. Die umfangreichen Maßnahmen der Sedimentbewirtschaftung im Vorfeld wurden an dieser Stelle bereits beschrieben. Bevor es soweit ist, hat der gewaltige Schwimmbagger rund sechs Wochen lang rund um die Uhr gearbeitet, um Sedimentablagerungen vor der Staumauer zu entfernen.

Kontrollierte Absenkung

Wenn die Behörden schließlich grünes Licht geben, beginnen die Energieexperten damit, das Wasser bis zum so genannten Absenkziel abzuwirtschaften. Sprich: die Turbine im Kraftwerk Lutz Oberstufe in Ludesch leistet ganze Arbeit. Innerhalb weniger Stunden senkt sich der Pegel von rund 715 Metern Seehöhe bis 703 Meter über dem Meeresspiegel. Zum Schutz gegen größere Fremdkörper ist der Triebwassereinlauf mit einem Feinrechen geschützt. Ist die Seehöhe von 703 Metern erreicht, wird der rechteckige Einlauf des Staumauergrundablasses geöffnet. Dieser misst 4 x 5 Meter und ist – mit Blick Richtung Walgau – auf der linken Talseite angeordnet.

Bis zu 40 Kubikmeter pro Sekunde würden hier bei Vollstau und dem damit bestehenden Wasserdruck abfließen. Liegt der Pegel schließlich im Bereich des Absenkziels von etwa 695 Metern, beträgt diese Abflusskapazität nur mehr rund 10 Kubikmeter in einer Sekunde. Damit die gesamte Absenkung nur wenige Stunden dauert, wird jeder Schritt kontrolliert und mit Bedacht ausgeführt. Denn bei der Entleerung zieht der Fluss Feststoffe mit, die für eine kurzfristige Trübung der Gewässer sorgen. Um den Feststoffgehalt möglichst gering zu halten, sind zahlreiche Maßnahmen vorgesehen. Neben einem kurzen Zeitraum sind dies vor allem:

  • Umfangreiche Materialentnahme durch den Schwimmbagger im Vorfeld
  • Verdünnung des Gewässers durch Beimengung von Frischwasser vor und während der Entleerung
  • Frischwasserabgaben auch nach dem Wiedereinstau

Energieader

Nach wenigen Tagen abgeschlossen

Durch diese aufwändigen Maßnahmen versucht man die natürliche Situation einer erhöhten Wasserführung nachzubilden. Nachteilige Auswirkungen auf die Natur werden weitestgehend verhindert.

Nach nur wenigen Tagen ist die Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen, Bauwerke und des Kraftwerks abgeschlossen. Langsam wird der See wieder aufgestaut. Ein sicherer Betrieb und die zuverlässige Bereitstellung erneuerbarer Energie aus Wasserkraft ist für weitere 10 Jahre gegeben.